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Fest der Freiheit

2007

Am 26. Mai 2007 fand dann das erste "Fest der Freiheit" statt. Streng genommen hätte man sagen müssen, dies sei noch nicht das Fest, sondern eigentlich nur eine Generalprobe vor ausgesuchtem Publikum. Ursächlich waren verschiedene Gründe. Die Unwägbarkeiten einer erst im Aufbau befindlichen ehrenamtlichen Struktur sind sicherlich an erster Stelle zu nennen, fast dieselbe Bedeutung dürfte der Umstand gehabt haben, daß die Niemande für Unterstützung zu werben. Freundlich-zurückhaltend bis wohlwollend-distanziert, so ließe sich der Grundtenor der Reaktionen bezeichnen. Hilfreich war es, daß Plakat und Handzettel - für alle Werbefachleute erst einmal nur "unprofessional" - für alle anderen die Absichten auf einen Blick mit geringen Mitteln ins Zentrum rückten: Die deutsche Trikolore mit der Europaflagge in der Mitte, der Bundestag als Hintergrundschraffur ...

Zum Glück für die Veranstalter war das Wetter, vorsichtig gesagt, verhangen bis mild regnerisch. Die noch bestehenden organisatorischen Schwächen traten wegen der geringen Inspruchnahme der Helferstruktur von daher nicht zutage - und alle Außenstehenden hatten eine befriedigende Erklärung für den etwas unglücklichen Verlauf - die noch nicht einmal falsch war.

War das erste Fest zwar noch kein Durchbruch, der entscheidende Schritt nach vorn, der in die breitere Öffentlichkeit hinein, war jedoch getan. Einem politisch wie personell sehr breiten Spektrum konnte vorgeführt werden, in die Anschauung gebracht werden, welche Vorstellungen im Hinterkopf waren - und es mußte sowohl in 2007 wie in 2008 demonstriert, daß die Verantwortlichen mit Engpässen konstruktiv-kritisch bzw. selbstkritisch-ändernd umgehen können.

So ließ sich über einen weiteren im Vorfeld gescheiterten Anlauf in 2008, das Fest mußte aus organisatorischen Gründen abgesagt werden, feststellen: Die Unterstützungsbereitschaft vor Ort war in der Zwischenzeit nicht gesunken, sondern - sehr selten, wenn Niederlagen oder Rückschläge zu verkraften sind - sogar gestiegen. Auch, wenn dies zum Teil auf die Arbeitsweise der Organisatoren zurückzuführen sein dürfte, vor allem dürfte ihnen auch ein gesellschaftlicher Klimawechsel zugute gekommen sein.

Einerseits wurde in den Vorjahren zunehmend erkennbar, daß die bisherigen Ansätze des Kampfes gegen den Rechtsradikalismus bestenfalls zur Eindämmung seines Wachstums geführt hatte, im entscheidenden Bereich, der Kader- und Organisationsbildung aber, kaum Hindernisse aufgebaut werden konnten. Mehr noch, daß das generalisierte Sankt-Florians-Prinzip ("Nazis raus aus unserer Stadt!") nicht nur keine Lösung versprach, sondern sehr schnell die Feinde des Rechtsradikalismus auf den abschüssigen Weg führen könnte ("Fegt ihn weg den braunen Dreck!"). Clausewitz sagte einmal, die Gegner im Kriege seien einander Gesetz - sichtbar wurden die Versuchungen, in dieser Einsicht liegen können, am obigen Beispiel: Nämlich die mit dem Kampf gegen des Rechtsextremismus verbundene Gefahr für die Antifaschisten aller Couleur, sich vom Feinde nicht bloß die Spielregeln, sondern auch das zivilisatorische Niveau vorgeben zu lassen. Etwas frei gesagt: Den Neo-Nazi als den neuen "Untermenschen" darf man getrost schon einmal entpersonalisieren.

Andererseits wurde in den Jahren aber auch zunehmend erkennbar, daß die freiheitlich-demokratische Grundordnung nicht nur gegen diese Seite hin zu verteidigen ist. Wahrgenommen wurden wieder, wenn auch wiederum nur schrittweise, die nach dem Zusammenbruch des Warschauer-Pakt-Systems weiter bestehenden Gefahren für die westliche Wertegemeinschaft.

In gewisser Hinsicht wachte der "deutsche Michel", der 1990 geglaubt hatte, daß er nun, nach dem Ende des Kalten Krieges, auf einer Insel der Glückseligen in einem Meer von Unrast und Aufruhr leben könnte, langsam auf. Hatte man sich anfangs faktisch damit beruhigt, daß zwischen Algerien und Deutschland Frankreich liege, zwischen Tschetschenien nicht nur Rußland, sondern auch noch Polen und Tschechien, ließ sich nun feststellen: Diese Sorte Extremismus - in fast allen Fällen auch Spielarten des Rechtsextremismus - war längst in Deutschland beheimatet. In den kleinen Gruppierungen, aber durchaus mit einer gewissen Ausstrahlungskraft versehen, hatten so manche der Aktiven inzwischen einen deutschen Paß.

So wie früher Rechts- und Linksextremismus einander rechtfertigten, so geschah dies nun in einem breiteren Wechselspiel. Ein nationalistischer Inländer- stand gegen religiös oder anders legitimierten Migrantenextremismus, verschiedene Ausländerextremismen zudem vielfach gegeneinander. In den Großstädten Westdeutschlands waren diese, zumeist eher verdeckt geführten Auseinandersetzungen früher und deutlicher erkennbar als in dem von Klein- und Mittelstädten dominierten Raum Ostdeutschlands mit seinen anders gelagerten Sorgen.

Verständlich war auch diese Haltung, weil man sich nach dauerhaftem Frieden sehnte, ihn für dauerhaft erreicht zu halten. War doch gerade der Kalte Krieg mit seinen potentiell unendlichen Schrecken überwunden, schien es doch die Möglichkeit zu einem ungestörten Nebeneinander zu geben ... - dabei hätte sich jeder denken können, daß der Zusammenbruch eines Weltordnungsgefüges, selbst der friedliche Zusammenbruch Machtvakuen entstehen läßt, die dann von bisher nicht zur Kenntnis genommenen Kräften gefüllt werden.

Erst als die Erfahrung gesammelt wurde, daß nicht das Ende der Geschichte erreicht war, sondern nur ein neues Kapitel begonnen hatte, wurde das Erfordernis neuer Anstrengungen erkennbar. Ein Gefühl dafür entstand, daß neue Wege zu gehen seien - die, letztlich auch nicht so neu sind, wie man denkt. Die Gemeinsamkeit bezogen auf die gemeinsame demokratische Staatsordnung, die Bundesrepublik Deutschland, ins Bewußtsein zu rufen und das friedliche Zusammenleben zu schützen, dies traf die Alltagserfahrung vieler. Nicht bloß negativ, sondern positiv:

Parallel entstand zunehmend ein neues Bewußtsein der Verantwortung des Einzelnen, nicht nur des Politikers, sondern der Staatsbürger selbst zur Sicherung der demokratischen Republik. Denn die Parteien schienen zunehmend überfordert. Die faktische Allparteien-Koalition - Rot-Grün in der Bundesregierung ergänzt durch Schwarz-Gelb im Bundesrat - setzte bei allen Gemütsfragen der Nation die Integrationskraft einer pluralen Demokratie außer Kurs, der Wähler schien letztlich keine Wahl zwischen Alternativen mehr zu haben. Mit der großen Koalition wurde einerseits dieser Zustand offizialisiert, andererseits aber durch die klare Profilierung der kleinen Parteien ein neues Bewußtsein um das Erfordernis von Vielfalt und Auseinandersetzung geschaffen. Ein Anfang zur Wiederentstehung eines sichtbaren politischen Pluralismus - und dieser bindet in letzter Instanz die Staatsbürger ein - war so faktisch geschaffen. Diesen Pluralismus müssen - wie in anderen Ländern auch - gemeinsame Aktivitäten aller Demokraten in einen Wertekontext einbinden.